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Sterben & Erben – rechtliche Verwandtschaft und voller oder geminderter Pflichtteil

In einem aktuellen Fall begehrte die Klägerin von der testamentarisch eingesetzten Alleinerbin ihren vollen Pflichtteil.

Die Klägerin wurde 1962 während aufrechter Ehe ihrer Mutter mit dem Erblasser geboren, war aber nicht dessen leibliche Tochter. Der Erblasser war der rechtliche – aber nicht auch leibliche – Vater. Die Ehe wurde bereits im Jahr nach der Geburt der Klägerin geschieden. Kontakt zwischen der Klägerin und dem Erblasser gab es seither keinen. Im Alter von etwa 30 Jahren versuchte die Klägerin, mit dem Erblasser in Kontakt zu treten (ein Bruder sollte entsprechend „vorfühlen“). Der Erblasser wies den Kontaktversuch verbal harsch zurück.

Die beklagte Alleinerbin wehrte sich mit der Argumentation, dass die Klägerin als nicht leibliche Tochter überhaupt nicht pflichtteilsberechtigt sei.

Weiters ging es im Verfahren darum, ob der Klägerin wegen fehlenden Naheverhältnisses und stillschweigender Übergehung im Testament nur der halbe Pflichtteil zustehe.

Dazu wurde höchstgerichtlich festgestellt, dass im Zusammenhang mit Erbrechten oder Pflichtteilsansprüchen die rechtlich definierte – und nicht die genetische bzw. leibliche – Verwandtschaft ausschlaggebend ist; und weil der Erblasser den angestrebten Kontakt aktiv abgelehnt habe, stehe der Klägerin der volle Pflichtteil zu.

Der Erblasser kann den Pflichtteil nicht letztwillig auf die Hälfte mindern, wenn er

  • berechtigten Anlass für den (immer oder in der Regel mindestens 20 Jahre vor dem Tod) fehlenden Kontakt gegeben hat oder
  • den Kontakt grundlos gemieden hat (dafür genügt schon, wenn er auf allfällige Versuche der Kontaktaufnahme nicht reagiert).

Fundierte rechtliche Beratung ist sowohl für Erblasser als auch für Erben und Pflichtteilsberechtigte unerlässlich.

Rechtsanwältin DR. DIETLIND HÜGEL,
Nüziders (Vorarlberg),
Telefon 05552/62101

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